Kurtschlags Mühlen

von Manfred Lentz

Kürzlich hat Kay mich darauf aufmerksam gemacht, dass es in Kurtschlag früher nicht nur eine einzige Mühle gab, sondern zwei. Und dazu hat er mir diesen Ausschnitt aus einer Karte geschickt, auf der die Standorte dieser beiden Mühlen eingezeichnet sind. Von der einen Mühle - einer Bockwindmühle - wissen wohl die meisten im Dorf. Da eine Windmühle Wind braucht, wie der Name sagt, hatten sich die damaligen Kurtschläger einen Standort ausgesucht, der  in dieser Hinsicht optimal war: auf dem "Mühlenberg", gut hundert Meter nordöstlich des heutigen Wasserwerks und nahe den "Kusseln", dem kleinen Wäldchen, das es dort ursprünglich nicht gab, sondern  das erst später angepflanzt wurde. In unserer Dorfchronik wird diese Mühle erwähnt. Betrieben wurde sie von einem Meister und einem Gehilfen, und sie stand dort bis 1922. In diesem Jahr wurde sie abgerissen, da sie baufällig geworden war. Wer mit dem Begriff "Bockwindmühle" nichts anfangen kann: Dieser Typ mit den sich im Wind drehenden Flügeln ist einer der ältesten in Europa und war besonders im Mittelalter verbreitet. Es handelt sich um einen spezifischen Typ einer Windmühle, bei dem das gesamte Mühlengebäude auf einem drehbaren Bock steht, der die Konstruktion trägt. Per Hand oder mittels eines langen Hebels wird die Mühle in den Wind gedreht. Benutzt wurden Mühlen dieses Typs hauptsächlich für das Mahlen von Getreide, sie konnten aber auch für das Pumpen von Wasser oder das Zerkleinern von Materialien genutzt werden. In Kurtschlag ging es um das Mahlen von Getreide.

 

Dürfte die einstige Existenz dieser Mühle also den meisten Kurtschlägern bekannt sein, so sieht es mit der zweiten Mühle anders aus. Diese befand sich auf der gegenüberliegenden Seite vom Fließ auf dem "Mühlenfeld", und zwar rechts von der Straße, die von Kurtschlag am Friedhof vorbei nach Klein Dölln führt. In der Dorfchronik wird sie als Getreidemühle bezeichnet. Ein Name, der nicht auf ihre Technik abstellt (z.B. die Nutzung des Windes), sondern auf ihre Funktion, also das Mahlen von Getreide. Für den Bau einer Windmühle waren die Windverhältnisse an dieser Stelle offenbar nicht geeignet, weshalb für den Antrieb Tiere eingesetzt wurden.

In Frage kamen dafür Ochsen und Pferde. Die Tiere wurden mit einem waagerechten Holm (einem langen Balken) verbunden. In der Mitte des Holms befand sich ein Drehpunkt, der Göpel, eine Art mechanisches Gelenk, das die Drehbewegung der Tiere auf die Mechanik der Mühle übertrug. Die Ochsen und Pferde liefen im Kreis und setzten dadurch den Holm in Bewegung, der einen Mahlstein rotieren ließ, der das Korn zerkleinerte. Der letzte Besitzer dieser Mühle hieß Schmiel, er bewohnte das erste Haus von Klein Dölln. Im allgemeinen Sprachgebrauch hieß die Anlage Schmiels Mühle. Einige Jahre nach dem Abriss der Bockwindmühle brannte die Getreidemühle nieder, wodurch Kurtschlag von diesem Zeitpunkt an keine Mühle mehr besaß. Der Ring der Gründungsfundamente und einige große Fundamentsteine sind heute noch zu sehen.

 

Keine Mühlen also in Kurtschlag seit den 1920er Jahren  - was die Frage aufwirft, woher die Kurtschläger seither ihr Mehl bekamen. Ich habe Erika darauf angesprochen, und sie konnte sich daran erinnern, dass einige Kurtschläger Schrotmühlen besaßen. Das waren spezielle Mühlen, die Getreide zu Schrot verarbeiteten, also zu grob zerkleinerten Körnern. Diese wurden hauptsächlich in der Landwirtschaft, der Futtermittelherstellung oder für bestimmte Backwaren benutzt. Für die Versorgung mit Brot dürften vor allem die beiden Bäcker eine Rolle gespielt haben (Wichmann und Strempel), die Mehl in großen Mengen einkauften und verarbeiteten. Kleinere Mengen für das individuelle Backen waren in den Kaufläden erhältlich. Und soweit es zunächst noch Mühlen in der Umgebung gab (zu beinahe jedem Dorf gehörte ursprünglich eine Mühle), wurden vielleicht auch diese von den Kurtschlägern noch eine Zeitlang genutzt. Das Thema Mühlen und woher das Mehl kam war nach dem Ende der beiden Kurtschläger Mühlen für die Menschen tendenziell immer weniger relevant. Bis heute, wo man ein Paket nur noch in den Einkaufswagen zu legen braucht und manch einer der jüngeren Einkäufer vielleicht erst einmal darüber nachdenken müsste, wie dieses weiße Pulver mit der Bezeichnung Mehl denn eigentlich in die Verpackung gekommen ist.