9. Kapitel
(Sommer 1748, im Oderbruch)
Früh am Morgen erhob Jesko sich von seinem Lager in der Hütte, in der er mit Swatka lebte sowie seinen drei fast schon erwachsenen Töchtern und den beiden Söhnen, der eine drei Jahre alt, der andere erst vor wenigen Wochen geboren. Die Hütte war nicht groß, geradezu winzig, aber in dieser Hinsicht glich sie allen anderen im Dorf. Zwölf Hütten auf einer kleinen Sandinsel, die hoch genug war, um während des Hochwassers aus den Fluten zu ragen - da blieb nicht viel Platz. Das gesamte Leben spielte sich in einem einzigen Raum ab. Hier wurde gelebt und gegessen, hier wurde geschlafen und wurden Kinder gezeugt. Jesko hasste es, wenn morgens alle zur selben Zeit den Tag begannen, all das Schlurfen und Kratzen, das Husten und Schneuzen noch im Halbdunkel, wenn die Dämmerung im Bruch gerade erst eingesetzt hatte. Budek, der Dreijährige, blieb an diesem Tag liegen. Schon am Vorabend war sein Kopf so heiß gewesen, dass die Mutter
ihm einen Sud aus Kräutern einflößt hatte. Anschließend hatte sie Swarobog ein Opfer gebracht, dem hölzernen Gott in einer Nische gleich neben der Tür. Mit seiner Hilfe würde Budek genesen, jedenfalls hofften das alle. Auch Jesko. Bevor er die Hütte verließ, strich er seinem Sohn noch einmal durchs Haar, dann ging er nach draußen.
Auch in den anderen Hütten hatte der Tag begonnen, und einer nach dem anderen traten ihre Bewohner hinaus. Wie üblich um diese Zeit hockte Dragomira bereits auf ihrem Schemel, vor sich zwei Eimer, und schuppte Fische. Dragomira war stets die Erste am Morgen und begann mit ihrer Arbeit schon dann, wenn es noch finster war. Was ihr nichts ausmachte, da sie vor zwei Jahren ihr Augenlicht verloren hatte. Mit der Gewohnheit ihres langen Lebens - sie hatte die Sechzig längst überschritten - griff sie in einen der beiden Eimer, holte eine Plötze heraus, entfernte die Schuppen, nahm den Fisch aus und legte ihn in den anderen Eimer. Jesko grüßte Dragomira mit ein paar aufmunternden Worten. Sie antwortete, ohne dass er von dem Gesagten aus ihrem zahnlosen Mund alles verstand. „Los, gehen wir!“, vernahm
er eine Stimme hinter sich. Sie gehörte Gorislaw, seinem ältesten Bruder. Jesko mochte ihn, wenngleich sich in den letzten Monaten ihre Ansichten auseinanderentwickelt hatten. Die Ansichten, die ihr Verhältnis zu den Deutschen betrafen.
Die Sensen geschultert, liefen beide los. Sie waren angespannt, würden sie auf dem Weg zu ihrer Wiese doch an der Eiche vorbeikommen. Oder richtiger: an dem, was von ihr noch übriggeblieben war, nachdem die Deutschen sie gefällt hatten. Das große Thema der letzten Tage, das die Gemüter aller Wenden auf das Heftigste aufgewühlt hatte. Schließlich handelte es sich nicht um eine beliebige Eiche, diese Eiche war heilig gewesen. Ein Ort der Verehrung so wie auch einige andere Bäume, allerdings mit dem Unterschied, dass diese Eiche für sie die wichtigste von allen gewesen war. Ohne sie, so hieß es, würde es keine Wenden mehr geben. Jeder im Bruch kannte die Geschichte. Menschen vieler Generationen hatten sie an ihre Nachkommen weitergereicht, und an einem bestimmten Tag in jedem Jahr hatten sie sich alle an der Eiche versammelt, Männer, Frauen und Kinder, und unter Anleitung von Stupek, ihrem Priester, hatten sie die uralten Rituale ihrer Vorfahren zelebriert. Wie üblich hatte der Priester die Erinnerung an Vitek und Teslawa heraufbeschworen, zwei Geschwister, die vor langer Zeit im Bruch gelebt hatten und die mit ihrem Verhalten beinahe das Ende der Welt herbeigeführt hatten. Als Kinder zusammen aufgewachsen, hatten sie stets alles gemeinsam gemacht. Als sie klein waren, spielten sie miteinander, später verrichteten sie alle Arbeiten gemeinsam, und auch sonst sah man die beiden immer zusammen. Als sie das Alter erreicht hatten, in dem Männer und Frauen eine Familie gründen, begaben sich ihre Eltern auf die Suche nach Partnern für ihre Kinder. Doch wen auch immer sie auswählten, die Kinder lehnten ihn ab. Als die Eltern sie fragten, mit wem sie denn eine Ehe eingehen wollten, da deutete jeder von beiden auf den anderen. Seit ihrer frühesten Kindheit, so erklärten sie, seien sie einander in Liebe zugetan, und um nichts auf der Welt
wollten sie voneinander getrennt sein. Die Eltern waren entsetzt über diese Worte, denn dass der Bruder bei der Schwester liegt und die Schwester beim Bruder, das durfte nicht sein, denn als ein ewiges Gesetz hatten die Götter einen solchen Frevel verboten. Vitek und Teslawa jedoch ließen von ihrem Verlangen nicht ab, und weil die Eltern nicht nachgaben, verließen sie eines Tages heimlich ihr Dorf und ließen sich in einem anderen nieder. Dort durften sie miteinander leben, denn jeder hielt sie für Mann und Frau. Die Götter jedoch wurden sehr wütend, dass die Menschen gegen ihr Gebot verstießen und sandten ihnen als Strafe eine große Flut. Über Nacht schwoll die Oder über alle Maßen an, das Wasser ergoss sich in die gesamte Niederung, es überschwemmte die Hütten und ertränkte das Vieh, und hätte nicht mitten im Bruch eine Eiche gestanden, so wären auch noch alle Menschen ertrunken. So aber kletterten sie auf die Eiche, während das Wasser unter ihnen immer mehr anschwoll. Viele Monate lang saßen die Menschen auf diesem Baum, bis sich die Fluten eines Tages zurückzogen und sie wieder hinabsteigen konnten. Die Eiche hatte sie gerettet, ohne sie würde es keinen einzigen Menschen auf der Erde mehr geben. Und weil sie der Eiche ihr Leben verdankten, verehrten die Menschen sie fortan als heilig und brachten ihr Opfer. Viele Generationen hatten das so getan, und auch die gegenwärtigen Bewohner des Oderbruchs hatten es so gehalten.
Bis die Deutschen gekommen waren und die Eiche gefällt hatten.
Die beiden Männer waren stehengeblieben, und aus hasserfüllten Augen starrte Jesko auf den Baum. Tot lag der mächtige Stamm auf der Erde, tot auch die Äste, deren welkes Laub den grausamen Eindruck ihres zerschlagenen Heiligtums noch verstärkte. Zusammen mit anderen hatte Jesko versucht, die Deutschen von ihrem Plan
abzuhalten. Aber die hatten nur erklärt, der Baum stehe ihren Plänen im Wege, deshalb müsse er weichen. Und außerdem solle dem
"Heidenbaum" nun endlich das Schicksal widerfahren, dass er verdient habe. „Mögen unsere Götter die Deutschen mit Tod und Verderben strafen!“, stieß Jesko zornig hervor. „Zerstören wir etwa das, woran sie glauben? Reißen wir ihren toten Jesus vom Kreuz? Nein, wir lassen sie gewähren und mischen uns nicht in ihren Glauben.“ Er ballte die Faust. „Und wir mischen uns auch nicht in ihr sonstiges Leben. Sollen sie alles so machen, wie sie es wollen. Doch wir verlangen, dass sie sich uns gegenüber genau so verhalten. Wir sind Fischer im Bruch, so wie unsere Väter es waren, und Fischer im Bruch wollen wir bleiben. Etwas anderes brauchen wir nicht.“ Und noch wütender: „Mögen sie sich in ihre Hölle scheren, die sie fortwährend im Mund führen!“
Ein Bekenntnis, das Gorislaw schon oft gehört hatte und von dem er wusste, wie viel es Jesko bedeutete. Aber es war kein Bekenntnis, das er teilte, und er dachte auch nicht daran, mit seiner anderen Sicht hinter dem Berg zu halten. Eine Weile schwieg er, während sie ihren Weg fortsetzten und dabei auf einen Bach zuhielten, dessen Rand von Erlen und Weiden gesäumt war. „Sollen die Deutschen das Bruch doch trockenlegen“, wiederholte er, was er schon oft gesagt hatte, und dazu zuckte er die Achseln. „Dann werden wir halt Bauern. Und wenn einer weiterhin Fische fangen will, dann mag er das tun. Auch nach der Trockenlegung wird noch genug Wasser da sein, dass ein Fisch seine Flossen bedecken kann. Aber es wäre gut, wenn es die Überschwemmungen nicht mehr gäbe. Vielleicht hätten wir als Bauern auf dem neu gewonnenen Land ein besseres Leben.“
„Als Bauern …“ Jesko sprach das Wort aus, als hätte er eine Gräte verschluckt. Gleich darauf hielt er inne und lauschte. In einiger Entfernung führte ein Biberdamm über den Bach, bei dem sie eine Falle aufgestellt hatten. Heftige Schläge im Wasser verrieten, dass sich ein Biber darin befand. „Endlich mal wieder einer“, knurrte Jesko. „Noch nie haben wir so wenige gefangen. Und wie sollte es auch anders sein,
wenn die Deutschen so viel Lärm machen.“ Mit schnellen Schritten waren die beiden Männer bei ihrem Fang. Es war ein junges Tier mit einem feinen und glänzenden Fell, für das sie auf dem Markt in Wriezen einen guten Preis erzielen würden. Mit einem kräftigen Schlag auf den Kopf tötete Jesko das Tier und verstaute es in einem Sack. „Das ist unser Leben“, sagte er, während er sich den Sack über den Rücken warf, „und nicht ein Dasein als Bauern!“
War Jesko von hartnäckiger Natur, so gehörte auch Gorislaw nicht zu denen, die einem anderen widerspruchslos das letzte Wort überließen. „Wer nicht mehr im Bruch leben will, der kann ja in Wriezen sein Auskommen suchen.“ - „In Wriezen …“ Jesko schnaubte verächtlich. „Der Beruf eines Handwerkers ist uns Wenden versperrt, wie du weißt. Und Lastenträger im Hafen oder Handlanger bei einem Kaufmann - ist es das, was du willst? Suchst du einen, der dich tagein, tagaus zur Arbeit antreibt, ohne dass du dein eigener Herr bist wie hier? Und was ist das überhaupt für ein Leben in Wriezen? In der Stadt wimmelt es von Dieben, und in den Schenken warten Schläger und Betrüger auf dich. Und dann diese Frauen, die den Männern schöne Augen machen und ihnen das Geld aus dem Beutel ziehen. Und außerdem …“ Jesko stockte. Mehr Negatives fiel ihm in diesem Moment nicht ein, aber mehr wäre ohnehin überflüssig gewesen, da Gorislaw nichts gelten lassen würde. Im Gegenteil, so schien es Jesko, würde sein Bruder sich sogar selbst nach dem dortigen Leben sehnen. Gorislaw wollte etwas erwidern, als Jesko plötzlich stehen blieb und in eine Richtung deutete. „Da sind sie schon wieder“, sagte er dazu in dem abfälligsten Ton, zu dem er fähig war.
Aus zusammengekniffenen Augen blickten beide zu einer Gruppe von Männern hinüber, die erst spät zu erkennen gewesen waren, da dichtes Buschwerk sie zunächst verdeckt hatte. Wie Gänse bewegten sie sich in einer Reihe über die Wiesen, an ihrer Spitze zwei Männer, bei denen es
sich allem Anschein nach um Ingenieure handelte. Hinter ihnen folgte ein Dutzend Soldaten. Die Ingenieure führten Geräte mit sich, wie sie seit einiger Zeit im Bruch immer häufiger zu sehen waren. Geräte, mit denen sie das Land vermaßen, bevor andere Männer an diesen Stellen zu graben begannen und Erde aufschütteten. Mit einem solchen Aufmarsch hatte es jedes Mal begonnen, weshalb die Frage nicht war, was gleich geschehen würde, sondern nur wo. Aus einigem Abstand folgten Jesko und Gorislaw der Gruppe, die sich in dieselbe Richtung bewegte, wie auch sie es vorgehabt hatten. Schließlich hielt die Gruppe an, und die beiden Ingenieure begannen mit ihren Geräten zu hantieren. Mehrmals liefen sie hin und her, schauten hier und maßen dort, bis einer von ihnen einen Stab in die Erde schlug - genau an der Stelle, an der Jesko und Gorislaw das Futter für ihre Tiere holen wollten.
War Jeskos Gesicht bis dahin blass gewesen, so wechselte seine Farbe nun in ein kräftiges Rot. „Diese Hundesöhne!“, ereiferte er sich. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir mit ihnen zusammenstoßen würden.“ Wie zur Bestätigung seiner Worte nahm der Ingenieur einen weiteren Stab in die Hand und entfernte sich von seinem Partner, wobei er die Schritte zählte. Wie ein Storch sah er dabei aus, der über eine Wiese stolzierte. Doch war ein Storch auf einer Wiese in dieser Landschaft ein gewohnter Anblick, so war das im Fall des Ingenieurs gänzlich anders. Nachdem der Mann eine bestimmte Anzahl von Schritten zurückgelegt hatte, schlug er den zweiten Stab in die Erde. Anschließend wiederholte er den gleichen Vorgang noch zwei weitere Male. Als er fertig war, hatte er eine Fläche markiert, die sich fast vollständig mit der Wiese deckte, auf der Jesko und Gorislaw mähen wollten.
Die ganze Zeit über hatten die beiden an ihrem Platz verharrt und das Geschehen beobachtet. Und obwohl sie wussten, dass Protest in früheren Fällen stets sinnlos gewesen war, löste sich Jesko nun
plötzlich aus seiner Starre und ging, ohne sich mit Gorislaw abgesprochen zu haben, auf die beiden Ingenieure zu. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie die Soldaten zum Leben erwachten. Hatten sie bis dahin teilnahmslos abseits gestanden und das Geschehen eher gelangweilt verfolgt, so hielten sie nun von einem Augenblick auf den anderen Schwerter in den Händen, und auf ein Zeichen ihres Anführers setzten sie sich in Bewegung. Jesko baute sich dicht vor den Ingenieuren auf. „Das ist unsere Wiese! Das dürft ihr nicht!“, brachte er mit lauter Stimme hervor. Wortlos sahen die beiden ihn an. „Das dürft ihr nicht!“, wiederholte Jesko noch lauter. Und dazu hielt er seine Sense auf eine Weise in den Händen, die seine Gegenüber nur als eine Drohung verstehen konnten. Erschreckt wichen die beiden einen Schritt zurück. Dass sie bei den Wenden nicht willkommen waren, hatten diese ihnen schon oft an den Kopf geworfen, eine vorgehaltene Sense jedoch war ein ganz anderes Argument. „Wir erledigen hier nur einen Auftrag des Königs“, versuchte der eine die Wogen zu glätten, zwar verängstigt, aber zugleich vom Vertrauen in die Kraft des Wortes durchdrungen. „Wir tun hier nur unsere Pflicht. Und außerdem ist es auch für euch zum Besten.“ Sätze, die die Soldaten mit den Augen rollen ließen, waren für sie derartige Erklärungen doch nur verlorene Zeit. In ihrer Welt war alles eine Frage der Macht, und die Macht hatten sie, schon gar gegen eine lächerliche Sense. „Halt ein, Jesko!“, rief Gorislaw, der seinem Bruder gefolgt war. „Sie sind stärker als wir! Mach keinen Fehler!“ Doch hatte er den Zorn nicht richtig eingeschätzt, der sich bei seinem Bruder aufgestaut hatte. Jesko hob die Sense, nur als Drohung, nicht um zuzuschlagen, was für die Soldaten indes keinen Unterschied machte. Ehe er es sich versah, hatte ein Schlag mit dem stumpfen Ende eines Spießes ihn getroffen, und er stürzte zu Boden. Im nächsten Augenblick knieten zwei Soldaten auf seinen Armen und hielten ihn fest. „Du solltest besser keine Dummheiten machen!“, herrschte der Anführer ihn an.
"Lasst ihn los!", mischte sich Gorsislaw ein. "Lasst ihn los!", forderte auch der Ingenieur den Anführer auf. Offenbar hatte die schnelle
Reaktion der Soldaten ihm gezeigt, dass er sich um seine Sicherheit keine Sorgen machen musste. Beherzt machte er einen Schritt auf Jesko zu. „Was unser König von uns verlangt, das führen wir aus. Das mag euch missfallen, aber wie ihr seht, werdet ihr uns nicht daran hindern können. Also seid vernünftig, auf dass nicht unnötig Blut vergossen wird!“ Jesko versuchte, sich aus seiner Lage zu befreien, doch vergeblich. „Dies ist unser Land!“, machte er seinem Zorn Luft. „Ihr habt hier nichts zu suchen!“ Der Ingenieur bedeutete den Soldaten, den Liegenden freizugeben, was diese - wenn auch widerwillig - taten. Gleich darauf standen sich die Streitenden gegenüber. „Wir wollen kein Blut vergießen“, wiederholte der Ingenieur. „Deshalb kehrt um und lasst uns unsere Arbeit machen!“ Jesko ballte die Fäuse, und Gorislaw fürchtete ein weiteres Mal, sein Bruder könnte die Nerven verlieren. Doch der zwang sich zur Beherrschung. Seine Augen sprangen von den Ingenieuren zu den Soldaten, zu der Wiese, auf der die eingeschlagenen Markierungen ihm ins Herz stachen, und zurück zu den Ingenieuren. So viele Worte lagen ihm auf den Lippen, und nur allzu gerne hätte er sie herausgeschrien. Aber jenseits seiner Wut wusste er, dass alles umsonst sein würde. Gegen die Waffen der Deutschen konnten sie nur ihr Blut einsetzen, und das würde niemandem nützen.
Kurz verharrte Jesko noch auf seinem Platz, dann drehte er sich um, schulterte die Sense und machte sich auf den Rückweg zum Dorf. Sein Bruder schloss sich ihm an. „Wir kommen gegen sie nicht an“, sagte Gorislaw. „Sie haben die Macht, wir werden uns fügen …“ Abrupt brach er ab, denn in diesem Moment entdeckte er die vielen Männer, die ihnen entgegenkamen, wohl an die hundert mochten es sein. Sie trugen Spaten und Hacken in den Händen und hölzerne Eimer, und hielten Kurs auf die Wiese, auf der die Ingenieure gerade ihre Vermessungen vorgenommen hatten. So schnell trieben die Deutschen ihre Pläne voran!
„Sie haben die Macht“, wiederholte Jesko die Worte seines Bruders. „Aber wir sind nicht wehrlos. Wir haben unsere Götter, die schon
unsere Väter und deren Väter beschützt haben und die auch uns beschützen werden. Mit ihrer Hilfe werden wir gegen die Vernichtung unserer Heimat kämpfen.“ Und während er das sagte, wusste er, dass er nicht als Einziger so dachte. In den Dörfern gab es einige, die das Zerstörungswerk nicht einfach hinnehmen wollten. Zwei Mal hatten sie sich bereits getroffen und darüber beraten, wie sie sich zur Wehr setzen konnten. Sie alle gemeinsam. Aber auch darüber, ob er allein etwas unternehmen sollte, hatte er nachgedacht. Sogar während der Nacht grübelte er über diese Fragen, wenn seine Wut ihn mal wieder nicht schlafen ließ. Und jedesmal kam er zu dem Schluss, dass sie den Deutschen nicht hoffnungslos ausgeliefert waren. Sie konnten sich wehren, davon war er fest überzeugt. Ja, mehr noch, sie mussten sich wehren. Denn nur dann würde es auch in Zukunft noch wendisches Leben im Oderbruch geben.