"Überzähliges" Wild
Manfred Lentz
In dem Buch über das Döllnfließ bin ich u.a. auf das Thema "Staatsjagdgebiet" zu sprechen gekommen. In einem dieser Gebiete ging Günter Mittag auf die Jagd, einer der wichtigsten Funktionäre der DDR. Seine "Basis" hatte er am Trämmersee unweit von Schluft und Kappe. In dem Buch habe ich geschildert, dass der Wildbestand in seinem Jagdgebiet (wie auch in den anderen Staatsjagdgebieten) gegenüber dem, was Fachleute für verantwortbar hielten, drastisch überhöht war. Der Grund dafür war der Wunsch, bei einer Jagd eine möglichst imposante Strecke zu erzielen, also möglichst viele Abschüsse. War der hohe Tierbesatz also ideal für den Jäger Mittag, so führte er auf der anderen Seite zu einer massiven Schädigung des Waldes, weshalb er bald nach der Wende wieder auf ein naturverträgliches Maß zurückgefahren wurde. In der Zwischenzeit scheinen Verantwortliche (Förster? Jäger?) bereits von sich aus tätig geworden zu sein. Kürzlich nun habe ich zwei Fotos erhalten, die die damalige Situation betreffen. Aufgenommen wurden sie kurz nach der Wende, als Mittag sich aus seinem Refugium bereits "verabschiedet" hatte, und fotografiert hat sie Volkmar Schönfeld, derjenige also, dem auch die tollen Drohnenfotos vom Döllnfließ in dem Buch zu verdanken sind. Wie viele andere DDR-Bürger hat auch er sich in der Wendezeit bei den Hinterlassenschaften der Funktionäre
umgesehen, und dabei ist er in der Försterei Trämmersee, in der allem Anschein nach die Beute aus Mittags Revier gelagert wurde, auf Kühlräume gestoßen, die reichlich mit geschossenem Wild gefüllt waren. Ob diese Abschüsse noch auf die Schießwut von Mittag zurückgingen oder ob sie von denjenigen stammten, die auf ein möglichst baldiges Gleichgewicht zwischen Wald und Wild orientiert waren und deshalb bereits mit dem Abschuss von "überzähligen" Tieren begonnen hatten, darüber habe ich keine Kenntnis. Denkbar ist beides. Interessant sind die Fotos in jedem Fall insofern, als sie die Überbesetzung des Waldes dokumentieren und damit auch ein Argument gegen diejenigen sind, die nach der Wende fast schon mit Tränen in den Augen davon sprachen, wie toll der Wildreichtum in den Wäldern zu DDR-Zeiten doch war und wie brutal der eindringende Kapitalismus das nun alles platt machen würde. - Ergänzt werden die beiden Fotos von einer Aufnahme, die eine "Kanzel" von Mittag zeigt. Ihre aufwändige Konstruktion war darauf zurückzuführen, dass Mittag doppelt beinamputiert war. (Weitere Einzelheiten darüber, wie rücksichtslos die DDR-Führung ihre Jagdinteressen verfolgt hat, finden sich in dem Buch.)
Drohnenfotos aus dem Buch "Das Döllnfließ. Zehntausend spannende Jahre", Manfred Lentz unter Mitwirkung von Siegfried Haase, 2023
In unserem Buch haben wir im Anhang Drohnenfotos vom Döllnfließ eingefügt, die Volkmar Schönfeld aus Dölln freundlicherweise für uns angefertigt hat. Die Aufnahmen reichen vom Döllnsee, aus dem das Döllnfließ einst sein Wasser bezog, bis nach Bischofswerder, wo es in den Voßkanal mündet. Da die Fotos im Buch relativ klein sind, der eine oder andere Leser dieses Buches sie aber vermutlich gern größer sehen würde, haben wir sie hier auf der Webseite kurtschlag.de noch mal eingestellt. Ein Klick, und alles ist weit besser zu erkennen.
(Wer das Buch noch nicht hat, es aber gern haben möchte, der bekommt es bei der Tourist-Info in Zehdenick, in der Klosterscheune Zehdenick sowie über info@kurtschlag.de und 0171 4729673.)